Bericht von Herbert Stifter, AUVA-Berater für Land- u. Forstwirtschaft der Landesstelle Wien
Die Voraussetzungen sind gut: Jeder, der Pflanzenschutzmittel verwendet, hat das nötige Wissen in einer für den Pflanzenschutz-Sachkundeausweis erforderlichen Ausbildung erworben. Dosier- und Einfüllsysteme, geschlossene Traktorkabinen und persönliche Schutzausrüstung (PSA) verhindern oder reduzieren den Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Pflanzenschutzmitteln. Trotzdem gibt es immer wieder Anwender, die sich nicht ausreichend geschützt den zum Teil sogar krebsverdächtigen Substanzen aussetzen.
Um das zu ändern, hat die AUVA gemeinsam mit der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) mit Unterstützung der NÖ Landwirtschaftskammer und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ein neues Merkblatt erarbeitet: „M.plus 340.11 Vermutlich krebserzeugende Arbeitsstoffe im Pflanzenschutz“. Das mit dem Merkblatt verfolgte Ziel bringt Ing. Herbert Stifter, AUVA-Berater für Land- und Forstwirtschaft der Landesstelle Wien, auf den Punkt: „Am wichtigsten ist, dass die Anwender ein Bewusstsein für die Gefahr bekommen.
Viele nehmen die Schutzmaßnahmen nicht ernst, weil es oft lange dauert, bis man eine negative Auswirkung bemerkt.“
In dem Merkblatt werden die möglichen Folgen einer chronischen Belastung durch Pflanzenschutzmittel beschrieben. Bei falscher Handhabung, nicht geeigneter Schutzausrüstung oder mangelnder Arbeitshygiene kann es zu einem höheren Risiko zum Beispiel von Krebs oder Erkrankungen des Nervensystems kommen. Eindeutig krebserzeugende Wirkstoffe (Gefahrenhinweis H 350 Kann Krebs erzeugen) dürfen nicht mehr in Pflanzenschutzmitteln verwendet werden, vermutlich krebserzeugende (H 351 Kann vermutlich Krebs erzeugen) schon, sie sind in rund zehn Prozent aller in Österreich angebotenen Pflanzenschutzmittel enthalten.
Substitution
Wie bei anderen gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen ist auch bei Pflanzenschutzmitteln nach dem STOP-Prinzip vorzugehen. Sind die Möglichkeiten der Substitution (S) ausgeschöpft, muss man auf technische (T), organisatorische (O) und als letzte Möglichkeit auf personenbezogene Schutzmaßnahmen (P) zurückgreifen. Zur Substitution bieten sich Methoden des integrierten Pflanzenschutzes an. „Man kann mechanisch arbeiten, zum Beispiel Beikräuter hacken, Nützlinge wie Marienkäfer oder Wespenlarven als Alternative zu Insektiziden ausbringen. Auch die Verwendung von Schachtelhalmbrühe reduziert den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln“, so Chemiker Ing. Björn Mayrhofer vom Unfallverhütungsdienst der AUVA-Landesstelle Wien.
Technische Maßnahmen
Stifter betont, wie viel sich im Bereich der technischen Maßnahmen bereits verbessert hat: „Weinbauern haben eine Gebläsespritze verwendet, die ähnlich einer Schneekanone eine riesige Wolke Spritzmittel mit viel Abdrift erzeugt hat. Heute gibt es schon Tunnelspritzen mit einem U-förmigen Tunnel. Der Spritzmittelbedarf ist geringer, zusätzlich kann auch das nicht an der Pflanze haftende PSM aufgefangen werden, wodurch sich der Bedarf an Pflanzenschutzmittel noch einmal verringert.“
Ein besonders hohes Kontaminationsrisiko besteht beim Hantieren mit Konzentraten. Den besten Schutz bieten geschlossene Sicherheitsmess- und Entnahmesysteme. Durch diese lassen sich Spritzer beim Abmessen oder Einfüllen vermeiden, ebenso wie das Berühren kontaminierter Siegelfolien. Geschlossene Systeme für flüssige Pflanzenschutzmittel ermöglichen eine kontaktlose Entnahme, die Reinigung erfolgt automatisch.
Organisatorische Maßnahmen
Die verwendeten Geräte bleiben nur dann voll funktionsfähig, wenn sie regelmäßig gereinigt und gewartet werden. Gut instandgehaltene Geräte sind weniger störungsanfällig, wodurch auch das Risiko einer Kontamination im Zuge von ungeplanten Reparatur- oder Reinigungsarbeiten am Einsatzort sinkt. Muss zum Beispiel eine verstopfte Spritzdüse am Feld geputzt werden, wird die dafür nötige PSA oft nicht verwendet.
Bei allen Tätigkeiten, bei denen gesundheitsgefährdende Stoffe frei werden können, sollten möglichst wenige Personen anwesend sein. Mayrhofer führt als Beispiel ein Gewächshaus an: „Hier arbeiten zumeist mehrere Personen verteilt auf großen Flächen. Ein Teil von ihnen entblättert oder erntet, andere kontrollieren auf Schädlinge. Werden welche gefunden, muss man den befallenen Bereich gegebenenfalls behandeln und deutlich kennzeichnen.“
Persönliche Schutzmaßnahmen
Stifter hat die Erfahrung gemacht, dass viele Anwender nicht wissen, welche persönliche Schutzausrüstung sie bei welchem Pflanzenschutzmittel benötigen. Die Angaben im Sicherheitsdatenblatt sind oft zu ungenau. Gibt es Unklarheiten, kann man sich an die AUVA, die SVS oder die Landwirtschaftskammer wenden.
Um Geld zu sparen, werden manchmal anstelle von Schutzanzügen billige Overalls oder statt chemikalienbeständiger Schutzhandschuhe Arbeitshandschuhe gekauft. Mitunter wird dasselbe Paar Handschuhe monatelang getragen, sogar wenn es schon kleine Löcher aufweist. Für einen ausreichenden Schutz darf PSA jedoch bei Beschädigungen, nach Überschreiten des Ablaufdatums sowie nach der maximalen Verwendungsdauer oder Überschreitung der Durchbruchszeit von Schutzhandschuhen nicht mehr verwendet werden.
Laut Mayrhofer bereitet der Gebrauch von PSA von allen Schutzmaßnahmen die meisten Probleme. Das gelte nicht nur für die großen Anwender in der Landwirtschaft: „Ob man sich richtig schützt, hängt unter anderem vom Willen, vom Wissen und der Routine ab. Die Routine fehlt etwa einem Hausbetreuer, der nur saisonal und bei Befall auf Pflanzenschutzmittel zurückgreift.“ Das neue Merkblatt der AUVA richtet sich daher auch an Beschäftigte in jenen Branchen, in denen nur selten mit Pflanzenschutzmitteln hantiert wird.
„Am wichtigsten ist, dass die Anwender ein Bewusstsein für die Gefahr bekommen. Viele nehmen die Schutzmaßnahmen nicht ernst, weil es oft lange dauert, bis man eine negative Auswirkung bemerkt.“
Herbert Stifter
AUVA-Berater für Land- und Forstwirtschaft der Landesstelle Wien
Die AGA-Redaktion bedankt sich für diesen informativen Bericht.