Alternative Bekämpfungsverfahren im Golf- und Sportrasenbereich / TEIL 1
Ein Bericht von Dr. Gerhard Lung, Institut Dr. Lung für angewandte Rasenforschung
Alternative Bekämpfungsverfahren sind all die Verfahren, die nicht zum chemischen Pflanzenschutz zählen. Alternative Bekämpfungsverfahren werden immer wichtiger, da uns langfristig immer weniger Pflanzenschutzmittel für den Golf- und Sportrasenbereich zur Verfügung stehen könnten.
Dies hat mehrere Gründe. Zum einen laufen die Zulassungen von immer mehr Pestiziden in absehbarer Zeit aus. Außerdem nehmen die Auflagen für die Neu- bzw. Wiederzulassung solcher Produkte zu. Andererseits muss man damit rechnen, dass dieser Bereich für die Pflanzenschutzfirmen immer unattraktiver wird. Denn abgesehen von den Zulassungsauflagen stellt sich für die Pflanzenschutzfirmen natürlich auch die Frage, ob die Kosten für die Entwicklung und die Zulassung eines Produkts über den Verkauf überhaupt gedeckt werden können, da der Sportrasen insgesamt nur einen begrenzten Absatzmarkt im Vergleich zu anderen Einsatzmöglichkeiten, z.B. in Massenkulturen, hat.
Daher sollen nun im Folgenden einige alternative Bekämpfungsverfahren dargestellt werden, die alle unter den Begriff „Integrierter Pflanzenschutz“ fallen.
Die wichtigsten nicht-chemischen Bekämpfungsmaßnahmen und somit alle alternativen Bekämpfungsverfahren im „Integrierten Pflanzenschutz“ werden in folgende Komplexe unterteilt:
• physikalische/mechanische Maßnahmen,
• biotechnische Maßnahmen,
• biologische Maßnahmen.
Ergänzend hierzu zählen zudem noch die züchterischen Maßnahmen (Resistenzzüchtung), die klassischen kulturtechnischen Maßnahmen sowie ergänzende Pflegemaßnahmen, wie z.B. Anwendung spezieller Bodenhilfsstoffe (z.B. Algenpräparate) und/oder Pflanzenhilfsmittel (z.B. Silicium-Präparate).
Züchterische Maßnahmen
Beim Rasensaatgut sollte man, soweit dies möglich ist, auf neue resistente bzw. tolerante Sorten zurückgreifen. Eine absolute Resistenz wird es nie geben, deswegen sollte man eher von Toleranz sprechen, deren Ausprägung in der Praxis natürlich von vielen Faktoren abhängig ist: Infektionsdruck, Ernährung der Pflanzen, klimatische Bedingungen, Pathotypen der Schaderreger.
Vor allem wegen des letztgenannten Punktes – Pathotypen der Schaderreger – sollte man die Resistenztests der einzelnen Organisationen (NTEP, STRI etc.) nicht überbewerten. Sie sind lediglich ein Hinweis, denn die dargestellten Tests treffen nur auf die Schaderreger-Pathoptypen zu, die am jeweiligen Teststandort vorkamen.
Um zu verdeutlichen, was damit gemeint ist, folgendes Beispiel: vor vielen Jahren hatten wir amerikanische Rost-resistente Poa pratensis Sorten im Wiener Raum eingesetzt, die nach NTEP-Testung sogar eine sehr hohe Resistenz gegenüber Rosterkrankungen besitzen sollten. Leider wurden sie im Wiener Raum sehr stark von Rost befallen, da es dort andere Pathotypen gab, gegen die diese Sorten leider nichts an natürlichen Abwehrkräften entgegenzusetzen hatten.
Solche Vorkommnisse gab und gibt es immer wieder – je nach Standortgegebenheit und Unterschiede bei den Pathotypen eines Schaderregers kann die Praxiserfahrung sehr weit von den Untersuchungsergebnissen von NTEP oder STRI abweichen. Resistente oder zumindest tolerante Sorten reagieren an ihrem Bestimmungsort leider nicht immer so wie in den Testeinrichtungen der untersuchenden Institutionen. Deswegen sollte man vor allem auf Sorten zurückgreifen, die an allen Teststandorten eine hohe Schaderreger-Toleranz zeigten, denn solche Sorten scheinen gegen verschiedene Pathotypen der Schaderreger tolerant zu sein.
Kulturtechnische Maßnahmen
Kulturtechnische Maßnahmen bei einer guten fachlichen Praxis bedeuten, einer Kultur all die pflegetechnischen Maßnahmen zu Gute kommen zu lassen, die sie für ein optimales und gesundes Wachstum benötigt, und tunlichst all jene Maßnahmen zu vermeiden, die diesbezüglich kontraproduktiv sind. Dazu gehören:
• vitales Saat- und Pflanzgut,
• Verwendung von resistenten/toleranten Sorten,
• optimale Standortbedingungen,
• ausgewogene Nährstoffversorgung,
• sachgerechte Pflege,
• bedarfsgerechte Bewässerung.
Dies sind die „Basics“ der pflegetechnischen Maßnahmen bzw. der guten fachlichen Praxis. Darüber hinaus kann man die Pflegemaßnahmen noch durch ergänzende Bodenhilfsstoffe und Pflanzenhilfsmittel ergänzen
Bodenhilfsstoffe + Pflanzenhilfsmittel
Zu den ergänzenden Pflegemaßnahmen zählt die Produktgruppe der Bodenhilfsstoffe und Pflanzenhilfsmittel. Sie sind entsprechend Düngemittelgesetz 1994, Fassung vom 05.07.2020, geregelt. Hier kann es sich um Stoffe und Gemische einschließlich Mikroorganismen handeln.
Bodenhilfsstoffe können den Zustand des Bodens in biotischer, chemischer oder physikalischer Hinsicht beeinflussen und auch die Wirksamkeit von Düngemitteln verbessern.
Pflanzenhilfsmittel sind Substanzen oder Mikroorganismen, welche die natürlichen Prozesse der Pflanze unterstützen, und somit die Widerstandsfähigkeit der Pflanze gegen abiotische und biotische Faktoren fördern, sowie die Produktivität von Pflanzen erhöhen.
Auf eine Auflistung aller Bodenhilfsstoffe und Pflanzenhilfsmittel soll an dieser Stelle verzichtet werden, denn dies würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dafür soll an einem Beispiel erläutert werden, wie sich Bodenhilfsstoffe auswirken können:
Filzmanagement
Zur guten fachliche Praxis gehört auch ein nachhaltiges Filzmanagement, denn Wca. 80% aller Erreger von Rasenkrankheiten überdauern auf und im Filz!
Das Vorkommen von Filzschichten kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Es sind Rasenflächen anzutreffen, die teilweise über eine massive und kompakte Filzschicht verfügen, und Rasenflächen, die lediglich in der oberen Zone der RTS eine dünne Schicht mit höherem organischem Anteil aufweisen.
Überwiegend wird das Filzmanagement mechanisch betrieben, obwohl mit den mechanischen Maßnahmen nur ein geringer Teil (ca. max. 15 – 18%) des Filzes entfernt werden kann. Auch sonstige mechanische Bodenbelüftungsmaßnahmen sind für ein gutes Bodenleben durch nichts zu ersetzen. Man kann jedoch zusätzlich zu den mechanischen Maßnahmen ergänzend auch ein biologisches Filzmanagement betreiben.
Bei einem Versuch auf einem Sportplatz mit insgesamt 4 Präparaten zeigte sich bei Hühnermist, aber vor allem bei einem Algenpräparat (in flüssiger und granulierter Form) ein deutlicher Abbau der Filzschicht (Abb. 2).
Sie betrug beim Versuchsende nur noch ca. 50% der Kontrollfläche. Auch Weizenstroh (TG 3g), in Gazebeuteln verpackt und senkrecht in der RTS vergraben, wurde durch Hühnermist, aber vor allem durch die Algenpräparate doppelt so gut abgebaut im Vergleich zu den Kontrollparzellen (Abb. 2).
Die folgende Tabelle 1 führt einige Produktgruppen von Bodenhilfsstoffen und Pflanzenhilfsmittel mit den Hinweisen auf, welche Inhaltsstoffe sie enthalten, und welche Wirkungsweise laut Hersteller zu erwarten ist.
Mykorrhizapräparate sind bei Sportrasenflächen umstritten, denn eigentlich findet man eine gute Mykorrhizierung vor allem bei Gräserarten, die auf extensiven Standorten (trocken und sehr nährstoffarm) vorkommen, wie z. B. bei Festuca ovina. Für die Mykorrhizierung muss die Pflanze bis zu 30% ihrer Assimilate an die Mykorrhiza abgeben, um von der Mykorrhizierung zu profitieren. Wenn die Pflanzen jedoch selbstständig an die gewünschten Nährstoffe herankommen, verzichtet sie auf die Mykorrhizierung, und verwenden ihre Assimilate für einen besseren Zuwachs.
Absolut wichtig für allen Bodenhilfsstoffe und Pflanzenhilfsmittel: Sie können ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn die Bodenverhältnisse und Wachstumsbedingungen stimmen:
optimaler Luft-/Wasser-Haushalt
und somit ausgewogenes Porenvolumen +
optimale Nährstoffversorgung
Physikalische Maßnahmen
Hier sind vor allem die klassischen mechanischen Verfahren zu benennen, wie Unkrautbekämpfung durch Jäten oder Striegeln, bzw. Ausstechen von kleinen Unkrautnestern sowie von Poa annua auf den Grüns, oder Hirse auf den Fairways.
Rolling/Bügeln
Das Rolling bzw. das Bügeln von Rasenflächen ist kein neues Verfahren. Durch moderne Technik wurde es aktualisiert und in die heutigen Pflegepläne etabliert. Man kann mit dem Bügeln einige Schadpilze deutlich in ihrem Verlauf hemmen (Abb. 5).
Der offensichtlichste Vorteil ist die erhöhte Grünsgeschwindigkeit aufgrund einer festeren und glatteren Oberfläche.
Dieser Effekt ist sofort wahrnehmbar, nimmt jedoch in den Tagen nach dem Rollen ab. Neben den spieltechnischen Vorteilen zeigen sich auch einige Vorteile hinsichtlich des Gesundheitszustands der Grüns. In verschiedenen wissenschaftlichen Studien konnte gezeigt werden, dass Dollar Spot- Erkrankungen deutlich verringert werden konnten. Auch bei Schneeschimmel zeigte sich eine Wirkung, jedoch nicht so ausge-prägt wie bei Dollar Spot. Außerdem konnte durch das Bügeln auch das Ausbreiten von Moosnestern um bis zu 70% reduziert werden.
Durch das Rolling/Bügeln wird der volumetrische Wassergehalt (%VWC) in der Wurzelzone signifikant erhöht. Neben diesem messbaren Effekt werden zusätzliche physikalische und biologische Effekte genannt, die zur Unterdrückung von „Dollar Spot“ beitragen können:
• entfernt Tau
• konzentriertes Guttationswasser wird gleichmäßig verteilt
• eventuell Stimulation und Ansammlung von Phytoalexinen
UVC-Bestrahlung
Neuerdings laufen Versuche mit UVC-Technik, um Schadpilze zu bekämpfen. Aktuell funktioniert es nur, wenn man die Flächen ständig überfährt (jeden zweiten Tag), da man mit dieser Technik nur die Schaderreger erfasst, die zum Zeitpunkt der Bestrahlung vorhanden sind.
Ziel dieser UVC-Technik ist jedoch, gezielt eine induzierte Resistenz zu erzeugen, die die Gräser über mehrere Monate resistent bzw. tolerant machen, damit die Flächen nicht ständig überfahren werden müssen, auch wenn die UVC-Einheiten bei einem anderen Pflegesystem (z.B. Bügeleinheiten) integriert sind. Bei ersten Versuchen mit bestimmten neuartigen Lampen gelang dies sowohl über die Sommer- als auch über die Wintermonate. Ein größeres Forschungsvorhaben soll nun speziell diese „Induzierte Resistenz mit Hilfe von UVC-Bestrahlung“ voran bringen und praxisreif machen.
Weitere physikalische Maßnahmen, die man aus anderen Kulturen kennt, die sich nur zeitweilig auf den Flächen befinden, sind in der Dauerkultur Rasen nicht umsetzbar.
Biotechnische Maßnahmen
Biotechnische Maßnahmen umfassen sämtliche Verfahren, die sich der Nutzung optischer und chemischer Reize zur Überwachung, Abwehr und Bekämpfung von Schadorganismen bedienen.
Klassische Beispiele sind Licht- und Pheromonfallen. Eigentlich könnte man sie auch zu den biologischen Verfahren zählen, da sie auf biologischen Prozessen beruhen.
Da sie jedoch neben dem biologischen Aspekt eine ausgeprägte technische Komponente besitzen, ist es gerechtfertigt, sie eigenständig als „biotechnisch“ zu gruppieren.
Im Rasenbereich können lediglich die Lichtfallen für nachtaktive Fluginsekten von Nutzen sein. Sie dienen zur Abundanzanalyse (Zählen bzw. Erfassen der Populationsdichte). Möglicherweise einsetzbar bei Eulenfaltern, Käferarten und eventuell Wiesenschnaken.
Ebenfalls gut einsetzbar zur Überwachung ist die Gartenlaubkäferfalle der Firma e-nema.
Sie enthält Pflanzenduftstoffe, die den Gartenlaubkäfer den Weg zum Wirt zeigen. Dabei handelt es sich um flüchtige sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, häufig Gemische. Eine Gartenlaubkäferfalle wirkt ungefähr auf einer Fläche von 100 m². Man müsste auf einer Sportrasenfläche somit sehr viele Falle aufstellen, um mit ihnen einen Erfolg zu verzeichnen. Daher wird die Gartenlaubkäferfalle lediglich zur Abundanzanalyse (Zählen bzw. Erfassen der Populationsdichte) in Frage kommen, um dann anschließend gezielt entomophage Nematoden, wie Heterorhabditis bacteriophora, zum Einsatz zu bringen.
Biologische Maßnahmen
Biologische Maßnahmen haben das Ziel, über die Förderung bis hin zum gezielten Einsatz von Antagonisten (Gegenspieler), Schadorganismen abzuwehren und zu dezimieren. Unter Antagonisten von Schaderregern versteht man entweder:
• Prädatoren (Räuber),
• Parasiten (Schlupfwespen,
entomophage Nematoden)
• oder Pathogene (z.B. Bacillus
thueringensis, Trichoderma
harzianum).
Das Prinzip der biologischen Bekämpfungsmaßnahmen umfasst somit folgende drei Zielrichtungen:
• Freilassung von Antagonisten der Schaderreger in größerer Zahl (Überschwemmungs- methode zur direkten Bekämpfung),
• Förderung und/oder Etablierung von Antagonisten (über Jahre hinweg kleine Mengen freilassen),
• Förderung der pflanzlich induzierten Resistenz
Zusammenfassung
Dies soll zunächst als Übersicht über die alternativen Bekämpfungsverfahren im Golf- und Sportrasenbereich genügen.
Bei den alternativen Bekämpfungsverfahren muss man sich immer bewusst sein: was auf einem Platz gut funktioniert, muss auf einem anderen Platz nicht genauso erfolgreich sein, oder es könnte sogar schief gehen! Warum, ist meist nicht zu erklären, da die Systeme – u.a. Bodenaufbau, Bodenleben, klimatische und kleinklimatische Verhältnisse, Pathogendruck, Pflegemaßnahme u.v.m. – äußerst komplex sind und schon kleine Unterschiede großen Einfluss auf Erfolg und Misserfolg von alternativen Bekämpfungsmaßnahmen haben können. Gravierende Änderungen, vor allem mit mehreren Produkten gleichzeitig, sollte man daher unterlassen. Pflegeumstellungen mit alternativen Produkten sollte man behutsam angehen, denn es sollte immer bedacht werden:
„Wo die Natur nicht will, da ist die Arbeit umsonst!“
(Lucius Annaeus Seneca, römischer Philosoph)
Daher sollte man sich durch eventuelle Fehlschläge nicht entmutigen lassen. Es empfiehlt sich, vor allem die Maßnahmen auszutesten, die auf anderen Plätzen schon Erfolg zeigten, und von denen man überzeugt sind, dass sie auf dem eigenen Platz ebenfalls funktionieren könnten. Falls einem das Risiko der Umstellung auf der Gesamtfläche zu groß ist, kann man es auch zunächst einmal auf einer kleinen Fläche ausprobieren und sehen, wie erfolgreich die Maßnahme ist.
Ein Bericht von Dr. Gerhard Lung
Institut Dr. Lung für angewandte Rasenforschung